Warning: Undefined array key "pr-cookie" in /homepages/31/d4297940881/htdocs/pawlik/wp-content/themes/pawlik/inc_cookielayer.php on line 4
Blog
12. November 2024

Anfechtung einer Erbausschlagung bei fälschlich angenommener Überschuldung

Wer ein Schreiben vom Nachlassgericht bekommt, dass er Erbe geworden ist, hat nicht immer einen Überblick über das Vermögen des Erblassers. Besteht die Gefahr Schulden zu erben, liegt es für viele Menschen daher nahe, das Erbe einfach auszuschlagen. Stellt sich später heraus, dass der Nachlass doch ziemlich werthaltig gewesen ist, kann man allenfalls über die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung versuchen, die „Rolle rückwärts“ zu schaffen und doch wieder Erbe zu werden.

 

Das ist aber gar nicht so einfach: trifft der Erbe seine Entscheidung zur Ausschlagung nämlich allein auf der Basis von Spekulationen (er glaubt also ohne weitere Nachforschungen, dass der Nachlass überschuldet ist), kann er seine Ausschlagungserklärung nicht erfolgreich anfechten. Denn in diesem Fall hat er sich nicht über Tatsachen geirrt, sondern sich einfach ins Blaue hinein falsche Vorstellungen gemacht – oder auf den Punkt gebracht: wer sich gar keine Vorstellungen macht, macht sich auch keine falschen Vorstellungen.

 

Spannender Fall des Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.07.2024, Az. 21 W146/23)

 

Hier hatte die Tochter die Erbschaft ausgeschlagen, ohne nähere Nachforschungen über das Vermögen der verstorbenen Mutter anzustellen. Allerdings war sie aufgrund der Umstände (seit dem elften Lebensjahr kein Kontakt mehr zur alkoholkranken Mutter, verwahrloste Wohnung im Bahnhofsviertel…) davon ausgegangen, dass die Mutter in völliger sozialer Schieflage gewesen sein musste. Als sie ein dreiviertel Jahr später von einem großen Kontoguthaben der Mutter erfuhr, erklärte die Tochter die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung wegen Irrtums. Das Nachlassgericht verweigerte ihr jedoch den beantragten Erbschein als Alleinerbin, da die Anfechtung der Ausschlagung unwirksam sei. In der zweiten Instanz beim OLG Frankfurt am Main hatte die Tochter jedoch Erfolg.

 

Sie brauchen Unterstützung vom Anwalt? Wir sind für Sie da!

 

Ausschlagung nur bei Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft

 

Das Beschwerdegericht stellte fest, dass die Ausschlagung einer Erbschaft grundsätzlich wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses angefochten werden kann, wenn der Irrtum für die Ausschlagungserklärung kausal gewesen ist. Ein solcher Irrtum (also ein Abweichen zwischen der Vorstellung und der Wirklichkeit) sei für die Ausschlagung dann kausal, wenn der Erbe naheliegende Erkenntnismöglichkeiten über die Zusammensetzung des Nachlasses genutzt und diese lediglich falsch bewertet habe.

 

Keine Anfechtung der Ausschlagung bei Entscheidung auf rein spekulativer Grundlage

 

Im Falle einer rein spekulativen Entscheidung, also einer Entscheidung ohne ungesicherte Tatsachengrundlage, handele es sich dagegen nur um Vermutungen, sodass die dadurch entstandene Fehlvorstellung nicht zur Anfechtung berechtigt. Wer also bewusst auf spekulativer Grundlage eine Entscheidung über die Ausschlagung trifft, ist nicht schutzwürdig und kann deshalb nicht ausschlagen.

 

OLG Frankfurt entscheidet zugunsten der Tochter

 

Im Fall der Tochter entschied das OLG Frankfurt am Main jedoch zu Gunsten der Tochter. Zwar begründet der Irrtum der Tochter über den Wert des Nachlasses an sich keinen Anfechtungsgrund, weil der Wert – anders als die wertbildenden Faktoren – keine Eigenschaft einer Sache ist. Die Tochter habe sich aber über die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses – bei der es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft handelt – geirrt, nämlich über das Vorhandensein des Bankguthabens. Diese Fehlvorstellung war auch kausal für die Ausschlagungserklärung der Tochter.

 

Naheliegende Möglichkeiten zur Information über Nachlass müssen genutzt werden

 

Zwar befanden die Richter, dass die Tochter nicht alle naheliegenden (es ist nicht erforderlich, dass man alle auch nur theoretisch denkbaren Möglichkeiten ausschöpft) Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich über die Zusammensetzung des Nachlasses zu informieren, was gegen das Vorliegen eines Irrtums spricht. Allerdings ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Tochter die Ausschlagung nicht nur aufgrund einer reinen Vermutung, sondern aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Fehlvorstellung (wegen der bekannten Lebensumstände der Mutter) getroffen hat. Damit hat das Gericht das Erbe für die Tochter gerettet.

 

Haben Sie Fragen zum Vorgehen im Erbfall? Unser Anwalt Herr Matthias Pawlik steht Ihnen gerne für ein Beratungsgespräch in unserer Kanzlei in Unterhaching oder München zur Verfügung. Setzen Sie sich einfach telefonisch mit uns in Verbindung: 089/99929720.

ZURÜCK Share: Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Auf Google+ teilen