Wer hat nicht schon davon gehört: kaum ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen, wird der betroffene Arbeitnehmer plötzlich krank und bleibt dies bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Auch wenn in vielen Fällen eine echte Krankheit vorliegen mag, ist es nicht verwunderlich, dass das dem Arbeitgeber sauer aufstößt. Jahrzehntelang galt, dass der Arbeitgeber aber praktisch keine Chance hat, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in einer solchen Fallkonstellation zu verweigern, solange nur ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Denn diese genießt einen hohen Beweiswert.
Vor einigen Jahren jedoch ist in das Thema Bewegung gekommen, denn das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei Vorliegen bestimmter Indizien der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein kann. Verweigert der Arbeitgeber dann die Lohnfortzahlung, ist es Sache des Arbeitnehmers, nach entsprechendem Vortrag der Arbeitgeberseite, im Prozess um die Lohnfortzahlung das tatsächliche Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu beweisen. In aller Regel erfordert dies die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht.
Wann genau Indizien vorliegen, die den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Zusammenhang mit einer Kündigung erschüttern, hat das Bundesarbeitsgericht in zwei neueren Entscheidungen konkretisiert.
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Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der an und für sich hohe Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes dann erschüttert sein kann, wenn eine oder auch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genau in die Restlaufzeit des gekündigten Arbeitsverhältnisses passen, also eine „zeitliche Koinzidenz“ vorliegt. Es kommt allerdings immer auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an. Ein Indiz ist es, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Zugang der Kündigungserklärung erkrankt und anschließend bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses krank bleibt. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass dies nicht nur nach arbeitgeberseitiger Kündigung gilt, sondern auch, wenn der Arbeitnehmer eine eigene Kündigung ausgesprochen hat.
Nicht nur bei unmittelbarer Erkrankung nach Ausspruch einer Kündigung (egal von welcher Seite) kann der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein, sondern nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sogar dann, wenn der Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem er selbst schon die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von sich aus beabsichtigt, aber noch nicht ausgesprochen hat, krankgeschrieben wird und dies bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch bleibt. Auch hier bejahte das Bundesarbeitsgericht eine zeitliche Koinzidenz, obwohl die Kündigung noch gar nicht zugegangen war (diesmal beim Arbeitgeber).
Das Bundesarbeitsgericht betont in dieser Entscheidung auch, dass es auf die Anzahl an Krankschreibungen, mit denen die Kündigungsfrist abgedeckt wird, nicht ankommt; ebenso spielt es keine Rolle, ob dabei immer dieselbe Erkrankung vorliegt oder verschiedene Diagnosen vom Arzt gestellt werden.
Im Ergebnis wird es dadurch für Arbeitnehmer schwieriger, Entgeltfortzahlungsansprüche während der Kündigungsfrist zu realisieren. In aller Regel wird eine Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht erforderlich sein, um diese als Zeugen im Prozess anhören zu können. Eine schriftliche Aussage des Arztes, die bereits vor seiner Vernehmung als Zeuge im Prozess vorgelegt werden kann, kann ebenfalls helfen.
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